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Prof. Dr. Helga Kotthoff

DFG-Projekt "Genderbezogene Praktiken bei Personenreferenzen"

Kurzvorstellung des gemeinsamen DFG-Projekts von Evelyn Ferstl, Helga Kotthoff (beide Freiburg) und Damaris Nübling (Mainz)

In Deutschland, Österreich und der Schweiz wird das Thema geschlechtergerechte Sprache seit Jahrzehnten in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Während traditionell davon ausgegangen wird, dass maskuline Personenbezeichnungen generisch verstanden werden, fordert die feministische Linguistik, dass genderbewusste Sprache verwendet wird (z.B. Beidnennungen). Diese Debatte hat sich diversifiziert, krankt aber weiterhin daran, dass zu vielen Thesen keine Ergebnisse aus der Linguistik vorliegen. Zwar zeigen zahlreiche Experimente, dass es beim Verständnis von Maskulina wie Tourist vorrangig zu männlichen Geschlechtszuweisungen kommt, aber andererseits wurde die Gradualität der (binären) Geschlechtszuweisung zu wenig zur Kenntnis genommen. Die weiblichen Nennungen lagen nicht im Interesse der feministisch ausgerichteten Forschung. Auch wurde der Einfluss grammatischer Kategorien (wie z.B. Numerus, syntaktische Position) auf die Geschlechtsassoziation kaum oder gar nicht berücksichtigt. In den letzten Jahren kommt die Forderung zur Repräsentation nicht-binärer Geschlechtsidentitäten hinzu, die den feministischen Diskurs herausfordert. Durch die Sichtbarmachung von Frauen werde die Geschlechterdichotomie forciert. Wie alternative Schreibungen mit Genderstern oder Unterstrich, die Eingang in Leitfäden gefunden haben, die Lesbarkeit beeinflussen, und ob damit die intendierte Vorstellung geschlechtlicher Vielfalt erzielt wird, ist bislang unbekannt. Weitere im öffentlichen Diskurs vorgebrachte Pro- und Kontraargumente betreffen u.a. stilistische (Dis-)Präferenzen (z.B Ususferne, bürokratischer Jargon). Zwischentöne muss man in einer auf Pro und Kontra zugeschnittenen Debatte lange suchen.
Das Projekt untergliedert sich in drei Teilprojekte, die eng miteinander kooperieren. Sie setzen unterschiedliche Schwerpunkte und verbinden psycholinguistische, grammatik- und diskursanalytische Methoden. Teilprojekt 1 "Registerbildung, Haltungskommunikation und textstilistische Vielfalt" (Kotthoff) fokussiert die Verwendung unterschiedlicher genderbezogener Sprachstile. Es eruiert Begründungen für personenreferentielle Stilistiken anhand von Mediendiskussionen und Leitfadeninterviews, und rekonstruiert deren soziale Verortung. Teilprojekt 2 "Geschlechtsassoziationen bei maskulinen Personenbezeichnungen und Indefinitpronomina" (Nübling) befasst sich grammatisch differenziert ausschließlich mit maskulinen Personenbezeichnungen (Politiker, Einwohner) sowie Indefinitpronomen (man, niemand). Im Vordergrund steht, den Einfluss grammatischer und lexikalischer Variablen (z.B. Numerus, syntaktisch-semantische Rolle) auf die induzierte Geschlechtsassoziationen zu überprüfen. Teilprojekt 3 „Nicht-binäre Personenbezeichnungen: Lesbarkeit und Geschlechtsassoziationen“ (Ferstl) ist in der Kognitionswissenschaft verortet und untersucht mit psycho-linguistischen Methoden, wie verschiedene Formen der genderbewussten Sprache (z.B. Binnen-I oder Gender-Stern) das Leseverhalten beeinflussen und welche Repräsentationen sie bei den RezipientInnen erzeugen.
Ziel dieses Projektverbundes ist a) den Diskurs zu versachlichen, b) die Praktikabilität verschiedener Genderstile zu beleuchten, und c) linguistische Grundlagenforschung zu Personenbezeichnungen zu betreiben.

 

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